Der DBH-Fachverband begrüßt, dass der Gesetzesentwurf nunmehr eine Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe im Jugendarrest schafft. Zu Recht wird auf die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.Mai 2006 zum Jugendstrafvollzug verwiesen. Dementsprechend haben die Länder auch Gesetze zum Jugendarrest erlassen.
Mit dem Gesetzesentwurf ist die Chance verbunden, den Jugendarrest konsequent als Einrichtung der Entwicklungsförderung junger Menschen zu gestalten, diese menschenwürdig zu behandeln und sie inhaltlich zu erreichen. Aus der Begründung zum Verfassungsgerichtsurteil geht hervor, dass das im SGB VIII formulierte Recht auf Entwicklungsförderung in Einrichtungen der Jugendstrafrechtspflege die zentrale Leitlinie der inhaltlichen Ausgestaltung darzustellen hat. Dementsprechend sind sowohl der Auftrag zur erzieherischen Ausgestaltung des Jugendarrestes (§ 90 Abs.1 JGG) als auch das allgemeine Ziel des Jugendstrafrechts, namentlich einer sozial verantwortlichen Lebensführung in Straffreiheit, zu interpretieren und auszugestalten.
Erziehung als Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen dient der selbstständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung. Die Erziehenden müssen für die Zielgruppe der Arrestanten Lernsituationen schaffen, in denen neue Verhaltensweisen erlernt, geübt oder vertieft werden. Die Bewertung einer Verhaltensweise ist abhängig von den jeweils gültigen Norm- und Wertvorstellungen einer Gesellschaft unter Berücksichtigung der bestehenden Gesetze. Zwar ist die kurze Dauer des Jugendarrestes von maximal vier Wochen eine pädagogische Herausforderung, da erzieherische Prozesse grundsätzlich auf längere Zeit angelegt sind, aber unter Beachtung spezifischer kurzzeitpädagogischer Bedingungen sind positive Effekte möglich.
Es ist zu begrüßen, dass in Art. 3 Abs. 2 auf die Geltung von Art. 5a Abs. 2 des Bayerischen Strafvollzugesetztes hingewiesen wird und in der Folge in geeigneten Fällen ein Täter-Opfer-Ausgleich anzustreben ist. Welche Fälle als geeignet gelten, wird nicht definiert. Im Sinne der „Standards Mediation Strafsachen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs“ (2017) wird empfohlen, auch in diesen Fällen die Eignung allein von der Bereitschaft der primären Konfliktbeteiligten (tatverantwortliche und primär von der Tat betroffene Personen) abzuleiten, an einer außergerichtlichen Konfliktvermittlung teilzunehmen. In diesem Zusammenhang wäre auch eine zielgruppengerechte Information aller tatverantwortlichen Jugendlichen im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach Art. 6 wünschenswert.
Es ist nachvollziehbar, dass im Rahmen des zeitlich begrenzten Jugendarrestes im Regelfall kein Täter-Opfer-Ausgleich gänzlich vorbereitet und durchgeführt werden kann. Erste Vorgespräche durch Mitarbeitende regionaler TOA-Fachstellen oder ein Opfer-Empathie-Training könnten jedoch ggf. bereits während des Arrestes durchgeführt werden. Demnach wäre es sinnvoll, wenn in Art. 19 Abs. 3 zusätzlich Mitarbeitende von TOA-Fachstellen unter freier Trägerschaft aufgeführt werden würden.
Falls der Jugendliche im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs Wiedergutmachung leisten möchte, wäre es im Sinne einer gelungenen Übergabe hilfreich, wenn diese Bereitschaft im Zuge des Schlussberichts nach Art. 25 festgehalten wird und in der Folge die regionale TOA-Fachstelle von der Jugendgerichtshilfe oder der Bewährungshilfe darüber informiert wird bzw. – je nach Zuständigkeit – selbst tätig wird.
Für die Ausgestaltung eines konsequent bildungsorientierten Jugendarrestes ist der Einsatz von qualifizierten Personen erforderlich, welche die Standards professionell-pädagogischen Handelns kennen und umsetzen können. Ebenso müssen sie das Verhalten junger Menschen auf der Grundlage fachlichen Wissens interpretieren sowie angemessen damit umgehen können.
Notwendig sind bauliche Bedingungen, die den Entwicklungs- und Förderungsauftrag ermöglichen, d.h. keine Angliederung an Justizvollzugsanstalten. Die Räume müssen so ausgestaltet sein, dass dort Lerneinheiten stattfinden sowie Sport- und Freizeitveranstaltungen durchgeführt werden können. Für Aufnahme-, Diagnose- und Entlassungsgespräche müssen Räume zur Verfügung stehen.
Zu den einzelnen Vorschriften:
Grundsätzlich verweisen wir auf die bestehenden Jugendarrestvollzugsgesetze in den Ländern, wobei in den vorhergehenden Anhörungen zahlreiche Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis ihre Bewertungen und Erfahrungen eingebracht haben. Professor Dr. Philipp Walkenhorst von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln hat beispielsweise maßgeblich bei der Erarbeitung des Schleswig-Holsteinischen Jugendarrestvollzugsgesetz vom 2. Dezember 2014 mitgewirkt. Auf einige Unterschiede zu diesem Gesetz möchten wir hinweisen.
In Artikel 2 Absatz 1 könnte als Satz 2 ergänzt werden: „Er ist insbesondere auch auf die Zeit nach der Entlassung auszurichten.“ Die weiteren Hilfs- und Betreuungsangebote sind für die Zeit nach der Entlassung besonders wichtig, um die im Arrest erreichten Effekte aufrechtzuerhalten.
In Artikel 2 Absatz 2 könnte hinter Satz 1 eingefügt werden: „Ein pädagogisches Gesamtkonzept ist unter Beteiligung von Fachkräften der Jugendhilfe und mit erzieherischer Beratung zu erstellen und fortzuentwickeln.“ Da nach übereinstimmender Meinung der Jugendarrest eines der umstrittensten Instrumente der Jugendstrafrechtspflege ist, soll das Konzept die klare Basis für eine pädagogische Ausrichtung nach den neuesten fachlichen Erkenntnissen sein.
In Artikel 3 Absatz 1 könnte als Satz 3 eingefügt werden: „Der Vollzug fördert das Bemühen der Jugendlichen um einen Ausgleich mit dem Geschädigten (Täter-Opfer-Ausgleich)“.
In Artikel 3 könnte als Absatz 3 eingefügt werden: „Die Zeit des Arrestes dient auch dazu, den weitergehenden Förder- und Betreuungsbedarf der Jugendlichen zu ermitteln.“
Nach Artikel 4 Absatz 2 sind die Jugendlichen verpflichtet, an den Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Die Verletzung dieser Pflicht muss zwangsläufig Sanktionen nach sich ziehen. Die Problematik dieser Regelung ist bei der Erarbeitung der Ländergesetze zum Strafvollzug ausgiebig und kontrovers diskutiert worden. Um die erzieherische Bedeutung der Maßnahmen nicht zu verringern, könnte der Satz alternativ lauten: „Die Bereitschaft der Jugendlichen, an dem Erreichen des Arrestzieles mitzuwirken, ist zu fördern.“
Letztlich empfehlen wir eine Vorschrift über die Förderangebote:
„Elemente der pädagogischen Gestaltung sind insbesondere:
Dementsprechend kann auf der Basis dieser Angebote mit dem Jugendlichen ein Erziehungsplan/Förderplan erstellt werden, der Angaben über die Förderangebote und über externe Hilfsangebote enthält.