Stellungnahme zum Gesetz über den Jugendarrestvollzug sowie zur Anpassung der weiteren sächsischen Vollzugsgesetze und anderer Gesetze (Sächsisches Jugendarrestvollzugsgesetz– SächsJArrestVollzG)

Datum: 
2018-02-22 00:00:00

Der DBH-Fachverband begrüßt, dass der sächsische Gesetzentwurf eine fortschrittliche Rechtsgrundlage für den Jugendarrest schafft. Die notwendigen Maßnahmen sind sehr detailreich dargestellt, der Gesetzestext ist hervorragend formuliert und auch für Nichtfachleute sehr gut nachlesbar. Der pädagogische Gedanke wird konsequent in den entsprechenden Vorschriften eingebaut.

Seit der Föderalismusreform ist der Vollzug Ländersache. Zu berücksichtigen ist die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 zum Jugendstrafvollzug. Dementsprechend haben die Länder auch die Pflicht gesehen, Gesetze zum Jugendarrest zu erlassen.

Mit dem Gesetzesentwurf ist die Chance verbunden, den Jugendarrest konsequent als Einrichtung der Entwicklungsförderung junger Menschen zu gestalten, diese menschenwürdig zu behandeln und sie inhaltlich zu erreichen. Aus der Begründung zum Verfassungsgerichtsurteil geht hervor, dass das im SGB VIII formulierte Recht auf Entwicklungsförderung in Einrichtungen der Jugendstrafrechtspflege die zentrale Leitlinie der inhaltlichen Ausgestaltung darzustellen hat. Dementsprechend sind sowohl der Auftrag zur erzieherischen Ausgestaltung des Jugendarrestes (§ 90 Abs.1 JGG) als auch das allgemeine Ziel des Jugendstrafrechts, namentlich einer sozial verantwortlichen Lebensführung in Straffreiheit, zu interpretieren und auszugestalten.

Es ist zu begrüßen, dass in Art. 4 Nummer 4 auf den Täter-Opfer-Ausgleich hingewiesen wird und in der Folge in geeigneten Fällen ein Täter-Opfer-Ausgleich anzustreben ist. Positiv hervorzuheben ist, dass im Sinne der „Standards Mediation Strafsachen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs“ (2017) die Eignung allein von der Bereitschaft der primären Konfliktbeteiligten (tatverantwortliche und primär von der Tat betroffene Personen) abhängen soll.

Erziehung als Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen dient der selbstständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung. Die Erziehenden müssen für die Zielgruppe der Arrestanten Lernsituationen schaffen, in denen neue Verhaltensweisen erlernt, geübt oder vertieft werden. Die Bewertung einer Verhaltensweise ist abhängig von den jeweils gültigen Norm- und Wertvorstellungen einer Gesellschaft unter Berücksichtigung der bestehenden Gesetze. Zwar ist die kurze Dauer des Jugendarrestes von maximal vier Wochen eine pädagogische Herausforderung, da erzieherische Prozesse grundsätzlich auf längere Zeit angelegt sind, aber unter Beachtung spezifischer kurzzeitpädagogischer Bedingungen sind positive Effekte möglich.

Für die Ausgestaltung eines konsequent bildungsorientierten Jugendarrestes ist der Einsatz von qualifizierten Personen erforderlich, welche die Standards professionell-pädagogischen Handelns kennen und umsetzen können. Ebenso müssen sie das Verhalten junger Menschen auf der Grundlage fachlichen Wissens interpretieren sowie angemessen damit umgehen können.

Notwendig sind bauliche Bedingungen, die den Entwicklungs- und Förderungsauftrag ermöglichen, d.h. keine Angliederung an Justizvollzugsanstalten. Zwar gibt es in Sachsen keine organisatorisch und personell eigenständige Jugendarrestanstalt, jedoch ist sichergestellt, dass keine Verbindung zu einer Justizvollzugsanstalt besteht. Wir empfehlen bei zukünftigen Baumaßnahmen die Planung einer separaten Jugendarrestanstalt in die Diskussion miteinzubeziehen.

Die Räume müssen so ausgestaltet sein, dass dort Lerneinheiten stattfinden sowie Sport- und Freizeitveranstaltungen durchgeführt werden können. Für Aufnahme-, Diagnose- und Entlassungsgespräche müssen Räume zur Verfügung stehen.

Zu den einzelnen Vorschriften:

Grundsätzlich verweisen wir auf die bestehenden Jugendarrestvollzugsgesetze in den Ländern, wobei in den vorhergehenden Anhörungen zahlreiche Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis ihre Bewertungen und Erfahrungen eingebracht haben. Professor Dr. Philipp Walkenhorst von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln hat beispielsweise maßgeblich bei der Erarbeitung des Schleswig-Holsteinischen Jugendarrestvollzugsgesetz vom 2. Dezember 2014 mitgewirkt. Das sächsische Gesetz enthält viele positive Übereinstimmungen.

Wir begrüßen besonders, dass die Opfer von Straftaten erwähnt werden (§ 2) und bei Einverständnis der Beteiligten ein Täter-Opfer-Ausgleich ermöglicht wird (§ 4 Nr.3).

Der Einsatz von sozialpädagogischen Trainingsmaßnahmen bietet die richtige Hilfestellung (§ 2 Abs.1). Wir empfehlen hier eine Ergänzung, die nach der Beratung von Prof. Walkenhorst in das Schleswig-Holsteinische Gesetz eingefügt wurde: „Ein pädagogisches Gesamtkonzept ist unter Beteiligung von Fachkräften der Jugendhilfe und mit erzieherischer Beratung zu erstellen und fortzuentwickeln.“ Da nach übereinstimmender Meinung der Jugendarrest eines der umstrittenen Instrumente der Jugendstrafrechtspflege ist, soll das Gesamtkonzept die klare Basis für eine pädagogische Ausrichtung nach den neuesten fachlichen Erkenntnissen sein.

Ebenfalls sinnvoll und angesichts der kurzen Verweildauer im Arrest notwendig ist die Ausrichtung und Vernetzung zu Hilfs- und Betreuungsangeboten nach der Entlassung (§ 3 Abs.1, § 4 Nr.7, § 6 Abs.2 und § 11 Abs. 3). Dies ist besonders wichtig, um die im Arrest erreichten Effekte nach der Entlassung aufrechtzuerhalten.

Wir finden es richtig, dass die Fördermaßnahmen explizit aufgeführt werden. Das schafft Rechtssicherheit bei den Arrestanten und der Anstalt und sie sind eine nachvollziehbare Grundlage für die Erstellung des Förderplanes (§ 4 Nr. 1 – 8 und § 11 Abs. 3).

Wir finden es aus pädagogischen Gründen ebenfalls richtig und konsequent, dass die Jugendarrestanten nicht zur Mitwirkung verpflichtet werden, sondern dass sie stetig zur Mitarbeit an der Erreichung der Vollzugsziele motiviert werden (§ 5 Abs. 4).

Abschließend empfehlen wir die Aufnahme einer Vorschrift zur Evaluation. Wir interpretieren die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 zu Jugendstrafvollzug dahingehend, dass Vollzugsgesetze eine dahingehende Regelung enthalten müssen.

 

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