Der Jugendarrest ist das umstrittenste Instrument des Jugendstrafrechts. Die Notwendigkeit, für den Vollzug des Jugendarrest eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, erfolgt vor dem Hintergrund nach wie vor bestehender Bedenken, ungeklärter Fragen und Widersprüchlichkeiten der materiell-rechtlichen Ausgestaltung dieser Sanktion im JGG.
Auch verfassungsrechtlich fragwürdig ist die gegenwärtige Situation, dass das materielle Jugendstrafrecht neben einer aus erziehungswissenschaftlicher Sicht völlig überholten und irrealen Zielbestimmung des § 90 JGG („Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewusstsein bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.“) lediglich einen formalen Rahmen bestimmt. Was Sinn und Inhalt dieser Sanktion sein soll, klärt das JGG hingegen nicht. Dieses wäre jedoch Aufgabe des materiellen Jugendstrafrechts.
Ginge es wirklich darum – wie jetzt allenthalben gesagt wird – jenseits von punitiven Effekten des Freiheitsentzuges pädagogische Prozesse in Gang zu setzen, die auch mit einiger Nachhaltigkeit über die Zeit des Eingesperrt seins hinaus wirken, so wäre bei nüchterner Betrachtung der Gedanke naheliegender, die vollzugsnahen Strukturen des Jugendarrestes zu vermeiden und die bereits vorhandenen Möglichkeiten des Jugendrichters, durch eine Weisung den jungen Menschen in einem Jugendheim unterzubringen, zu erleichtern, bspw. durch eine Übernahme der Unterbringungskosten aus dem Justizhaushalt. Damit wäre insbesondere ein auch über den Freiheitsentzug hinaus wirkender Einstieg in die Jugendhilfestrukturen geschaffen. Hingegen wird der Jugendarrest sehr vollzugsnah durchgeführt und teilt sich mitunter Räumlichkeiten und Personal mit dem (regulären) Strafvollzug.
Schon gar nicht besteht daher Anlass, den Anwendungsbereich des Jugendarrestes im Rahmen des sog. „Warnschussarrestes“ weiter auszubauen, wie dies von konservativer Seite seit Jahren gefordert wird. Nicht neu, aber zutreffend ist der Kalauer, dass dies ein Schnellschuss ist, der nach hinten losgehen wird. Es besteht keine Notwendigkeit, Jugendliche, die zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden, durch Arrest zu beeindrucken: einerseits bietet das bestehende JGG ausreichende Möglichkeiten Bewährungsauflagen und –weisungen zu verhängen, andererseits ist wohl eher von einem Gewöhnungs- als einem Abschreckungseffekt bei den betroffenen jungen Menschen auszugehen.
Vor diesem Hintergrund erfolgt mit erheblichen kriminalpolitischen Bauchschmerzen hier die folgende Stellungnahme zum Vollzugsgesetz einer überkommenen, im besten Falle überflüssigen Sanktion des Jugendkriminalrechts.
Stellungnahme zum JAVollzG NRW
§ 1 Abs.2: Gut ist die Einbeziehung aller am Vollzug des Jugendarrestes beteiligter Personen und Institutionen und die Verpflichtung, diese in die Gestaltung des Vollzuges einzubeziehen.
§ 1 Abs.1 S.2: Die Verantwortungsübernahme für sozialwidriges Verhalten ist im Rahmen des Vollzugszieles fehl am Platze und sollte eher als Teil der Vollzugsgestaltung, insbesondere der erzieherischen Grundsätze eingebracht werden.
§§ 2 und 3: Gelungen und zu begrüßen sind die Grundsätze und Elemente der erzieherischen Gestaltung, die ein moderne pädagogisches Verständnis des Jugendarrest wiederspiegeln und detailliert und plastisch ist pädagogische Ausgestaltung wiedergeben. Besser und der modernen pädagogischen Ausrichtung eher entsprechend wäre die Verwendung des Begriffes „Förderung“ oder „pädagogisch“ anstelle von „Erziehung“ bzw. „erzieherisch“.
§ 5: Für die Erstellung des „Erziehungsplans“ (besser: „Förderplan“) wäre es vorteilhaft, genauere gesetzliche Angaben über die abzuhandelnden Aspekte im Sinne einer Gedächtnisstütze vorzugeben. Positiv ist die ausdrücklich aktive Rolle zu würdigen, die dem Jugendlichen bei der Erstellung des „Erziehungsplanes“ zukommt.
§§ 7 und 8: Zu begrüßen sind die klaren pädagogischen Regelungen über die Freizeitgestaltung und Sportangebote.
§ 12: Es fehlt an einer klaren Begrenzung der Mehrfachbelegung auf höchstens 2 Jugendliche. Eine gemeinsame Unterbringung sollte stets nur mit Zustimmung der betroffenen Jugendlichen erfolgen.
§ 20: Begrüßt wird die Konfliktregelung, die vorrangig eine pädagogische Aufarbeitung vorsieht und im Vergleich zum (Jugend-) Strafvollzug nur rudimentäre Disziplinarmaßnahmen enthält. Dies ist für die Situation des Jugendarrestes angemessen und ausreichend und fördert seine pädagogische Ausrichtung.
§ 36: Die Verweisungen sind gesetzgebungstechnisch unschön und für die praktische Handhabung des Gesetzes hinderlich. Besser wäre eine positive Umschreibung des Fokus des Freizeit- und Kurzarrest, bspw. soziale Gruppenarbeit, um die gegenwärtige Lebenssituation bewusst zu machen; Aufklärung über außervollzugliche Hilfsangebote.
Was fehlt:
Eine explizite Regelung über den Übergang aus dem Arrestvollzug in die Freiheit. Hier sollte von der Anstalt Unterstützung und Beratung – unter Einbeziehung insb. der Jugendhilfe und anderer Sozialleistungsträger – über in Frage kommende Leistungen und Begleitung nach der Entlassung geleistet werden.
Der Entwurf eines JAVollzG NRW enthält zahlreiche sonst bei den Vollzugsgesetzen übliche Regelungen nicht, bspw. über Ausführung und Ausgang, Unmittelbaren Zwang, Sicherungsmaßnahmen oder Datenschutz. Soweit für bestimmte Bereiche – Schriftwechsel in § 16, Datenschutz in § 33 – auf das Jugendstrafvollzugsgesetz verwiesen wird, ist dies nicht benutzerfreundlich und sollte vermieden werden.
Mit freundlichem Gruß
im Auftrag des DBH-Präsidiums
PeterReckling