Der DBH – Fachverband begrüßt die geplante Zurückdrängung der Ersatzfreiheitsstrafen und den vorgesehenen Ausbau der gemeinnützigen Arbeit. Für die erweiterten Anwendungsmöglichkeiten der gemeinnützigen Arbeit bedarf es jedoch eines flächendeckenden Angebotes an Vermittlungs- und Betreuungsstellen. Er unterstützt die Pläne zur stärkeren Berücksichtigung von Opferinteressen gegenüber der Vollstreckung von Strafen.
I. Verwarnung mit Strafvorbehalt
Die vorgesehenen erweiterten Möglichkeiten der Verhängung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt (§59 StGB) werden von uns befürwortet. Bei einer zunehmenden Anwendung, besonders auch in Verbindung mit Weisungen und Auflagen, stellt sich jedoch die Frage, wie diese zu überwachen sind. Die Möglichkeit zur Beiordnung eines Bewährungshelfers – gegebenenfalls auch nur befristet bis zur Erfüllung der Auflagen oder Weisungen – könnte dieses Problem lösen. Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zur Verhängung der vorbehaltenen Geldstrafe, so sollten analog zu § 56f StGB erbrachte Leistungen auf die Strafe angerechnet werden können. Dies gilt besonders dann, wenn der Verurteilte eine Arbeitsauflage erfüllt hat.
II. Neuregelung der Gemeinnützigen Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe
Wir befürworten ausdrücklich die geplante Neuregelung der gemeinnützigen Arbeit zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe (§43 StGB).
Die bisher unterschiedlichen Vollstreckungsregelungen auf Länderebene (auf der Grundlage von Art. 293 EGStGB) führten zu teils erheblichen Unsicherheiten bei der Rechtshilfevollstreckung und auch zu Ungerechtigkeiten. Die jetzt vorgesehene einheitliche Regelung beseitigt dieses Problem. Gleichzeitig entsteht für Verurteilte, die eine Geldstrafe nicht zahlen können, ein eindeutiger Anspruch auf Tilgung durch gemeinnützige Arbeit.
Die vorgesehen Umrechnungsschlüssel sind moderat und erscheinen vernünftig. Dies gilt besonders mit Blick darauf, dass die Verhängung einer Geldstrafe gerade keine freiheitsentziehende Sanktionierung darstellt. Es ist deshalb richtig, einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe mit zwei Tagessätzen gleichzusetzen. Bei der Reduzierung der Stundenzahl gemeinnütziger Arbeit auf drei Stunden pro Tagessatz ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die gemeinnützige Arbeit hier die Alternative zur Zahlung einer Geldstrafe darstellt und nicht die Abwendung eines Tages Freiheitsstrafe. Deshalb erscheint die Stundenhöhe angemessen.
Der Erfolg der neuen Regelung hängt - wie bisher auch schon – wesentlich von der Frage ab, ob flächendeckend betreute Einsatzstellen angeboten werden können. Das kostet Geld, ist aber sehr erfolgreich, da auf diese Weise auch schwierige Verurteilte, die weder über gefragte Fähigkeiten noch Zuverlässigkeit und Arbeitsdisziplin verfügen, oder die wegen einer bestehenden Drogensucht in normale Stellen nicht vermittelbar sind, die Chance erhalten, ihre Ersatzstrafe abzuarbeiten,ohne dass es zu der unerwünschten Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt.
III. Abwendung einer unbedingten Freiheitsstrafe unter 6 Monaten
Bei der Gestattung der Abwendung einer unbedingten Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten sehen wir verschiedene Problembereiche. Im Kurzstrafenbereich unter 6 Monaten, in der Praxis also bis zu 5 Monaten und 2 Wochen Freiheitsstrafe oder bis zu 175 Tagessätzen Geldstrafe, soll es künftig eine große Palette an Strafmöglichkeiten geben.
Zunächst erscheint im Überblick eine Vergewisserung darüber sinnvoll, zu welchen Dimensionen es bei der Anzahl der zu leistenden Stunden bzw. der Tage einer Ersatzstrafe auf der Grundlage der Neuregelungen kommen kann:
(a) Verurteilung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB ist wie bisher möglich bei einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Neu ist die Möglichkeit der Auflage, gemeinnützige Arbeit bis zu 60 Stunden zu leisten ( § 59 Absatz 1 Nr. 6 StGB).
(b) Geldstrafe, im Falle der Uneinbringlichkeit nach § 43 StGB gemeinnützige Arbeit, als letztes Mittel Ersatzfreiheitsstrafe. Bei einer uneinbringlichen Geldstrafe von 175 Tagessätzen sind nach dem Umrechnungsschlüssel des § 43 StGB 525 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten oder 87 Tage Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen.
(c) Freiheitsstrafe auf Bewährung mit der Möglichkeit der Auflage, innerhalb der Grenzen der Zumutbarkeit unbemessene gemeinnützige Leistungen zu erbringen (56 b Absatz 2 Nr. 3 StGB), und mit der Möglichkeit der Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers nach § 56 d StGB.
(d) Freiheitsstrafe ohne Bewährung mit der Gestattung der Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit nach § 55 a StGB. Bei einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten und 2 Wochen sind nach dem Umrechnungsschlüssel des § 55 a Absatz 2 StGB 984 Stunden gemeinnützige Arbeit abzuleisten, unter Berücksichtigung der Regelung in §§ 55a Absatz 3 und 56 b Absatz 1 StGB 656 Stunden in 18 Monaten, das entspricht bei gleichmäßiger Abarbeitung im Monat
36 ½ Stunden oder in der Woche 8 Stunden. Die Hilfe durch einen Bewährungshelfer ist nicht vorgesehen, weder in der schwierigen Zeit der Abarbeitung der Stunden noch in der Zeit der Aussetzung des letzten Drittels der Strafe zur Bewährung nach § 55 b Absatz 1 StGB (s. auch unten). Freiheitsstrafe ohne Bewährung und ohne Gestattung der Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit nach § 55 a Absatz 1 Satz 2 StGB.
Grundsätzliche Bedenken zu den geplanten Regelungen nach § 55a und § 55b StGB bestehen in folgender Hinsicht:
Die Anordnung einer Freiheitsstrafe unter 6 Monaten (hier in den Varianten c, d und e) setzt nach § 47 StGB voraus, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist.
Die Anordnung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung mit oder ohne Gestattung der Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit setzt nach der Formel in § 56 Abs. 1 StGB voraus, dass der Verurteilte sich ohne den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht von weiteren Straftaten abhalten lassen wird. Bei der vorgesehenen Neuregelung unter unveränderter Beibehaltung von § 56 Abs. 1 StGB würde zukünftig die Anordnung einer kurzen Haftstrafe demnach bedeuten, dass „Strafvollzug“ auch in Freiheit stattfinden kann, nämlich im Rahmen von gemeinnütziger Arbeit. Damit wird die Abgrenzung zwischen einer Freiheitsstrafe auf Bewährung, mit der Auflage zur gemeinnützigen Arbeit, und einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung, mit der Möglichkeit der Gestattung, diese durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden, kaum noch überzeugend möglich. Bei der Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe muss das Gericht notwendigerweise feststellen, dass eine Strafaussetzung nicht ausreicht, um den Verurteilten von weiteren Straftaten abzuhalten, auch nicht mit der Auflage von gemeinnütziger Arbeit. Dass dies nun aber bei der gemeinnützigen Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe ganz anders ist, ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Die Annahme, die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten seien ungenügend und deswegen sei die Regelung der §§ 55 a und 55 b StGB notwendig, überzeugt nicht, da die Unterschiede kaum mehr fassbar sind. Die Fälle, in denen bislang eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt wurde, waren häufig - wenn nicht regelmäßig – so gelagert, dass vorher bereits alle „ambulanten“ Möglichkeiten (§ 153 StPO, § 153 a StPO, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Geldstrafe und schließlich Freiheitsstrafe auf Bewährung) schon vergeblich, häufig sogar mehrfach, ausgeschöpft waren.
Mit anderen Worten: Die Anordnung der Freiheitsstrafe ohne Bewährung war im Regelfall die ultima ratio. Im Falle der Einführung der §§ 55 a und 55 b StGB ist zu erwarten, dass man statt zur zweiten Freiheitsstrafe auf Bewährung (häufig verbunden mit engen Auflagen und der Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers) gleich zur ersten Freiheitsstrafe ohne Bewährung, aber mit der Gestattung der Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit, greifen wird. Das mag ehrlicher sein und dem Willen des Gesetzgebers mehr entsprechen. Inakzeptabel ist es aber, dass in den Fällen des § 55 a Absatz 1 Satz 1 und 2 StGB eine Hilfe durch einen Bewährungshelfer (der dann eben einen anderen Namen bekommen müsste) nicht möglich ist, obwohl die Prognose für den Verurteilten schlechter ist als bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung (§ 56 Absatz 1 StGB) und obwohl wegen der in diesen Fällen regelmäßig zu erwartenden sehr hohen Anzahl von zu leistenden Stunden die Möglichkeit der Hilfe durch einen Bewährungshelfer dringend geboten erscheint.
Geplant ist außerdem, dass bei der Abwendung der Freiheitsstrafe nach 2/3 der Arbeitstunden der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei dieser Reststrafenaussetzung soll grundsätzlich kein Bewährungshelfer beigeordnet werden. Die Begründung, dass nämlich schon „durch die Erfüllung der Arbeitspflicht auf die Lebensführung des Verurteilten nachhaltig Einfluss genommen wurde“, überzeugt nicht. Denn manche Problemlagen sind unabhängig von der Frage einer kontinuierlichen Arbeit (z.B. psychische Erkrankungen, familiäre Probleme) und nicht wenige können erst angegangen werden, wenn eine Stabilisierung der Lebensverhältnisse eingetreten ist (z.B. Schuldenregulierung). Um eine Schlechterstellung gegenüber demjenigen, der nach 2/3 der Strafe aus der Haft entlassen wurde, zu vermeiden, sollte deshalb auch hier die Beiordnung eines Bewährungshelfers möglich sein.
Völlig aus dem Regelungsbereich der §§ 55 a und 55 b StGB fallen nach dem Wortlaut des Entwurfs die Fälle eines Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung heraus. Das macht nur dann Sinn, wenn der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt ist, weil der Verurteilte einer Arbeitsauflage nicht nachgekommen ist. In diesem Fall fehlt es auch bereits an den Voraussetzungen, unter denen die Abwendung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach § 55 a StGB gestattet werden kann (§ 55 a Absatz 1 Satz 3 StGB). In allen anderen - sehr häufigen - Fällen ist es aber nicht einzusehen, warum die Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit nicht möglich sein soll, wenn dies in den schwereren Fällen des § 55 a StGB möglich ist. Im häufigsten Fall der Anordnung einer kurzen Freiheitsstrafe, einer Verurteilung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, macht es keinen Sinn, den Verurteilten die Freiheitsstrafe verbüßen zu lassen, wenn er seiner Unterhaltspflicht auch künftig schuldhaft nicht nachkommt und die Strafaussetzung zur Bewährung deswegen widerrufen wird. Die Gestattung der Abwendung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit in diesen Fällen würde zwar dem Unterhaltsberechtigten auch nicht direkt helfen, sie hätte aber vielleicht die Chance, den Verurteilten an geregelte Arbeit zu gewöhnen. Im besten Fall hätte dies einen pädagogischen Effekt, der dem Unterhaltsberechtigten langfristig zugute kommen könnte.
Wenn die vorgesehene Gestattungsmöglichkeit in Kraft treten soll, dann sollte auch geregelt werden, wie bei nachträglichen Gesamtstrafenbildungen zu verfahren ist, wenn diese 6 Monate oder mehr betragen und der Verurteilte schon begonnen hat, gemeinnützige Arbeit zu leisten.
Schließlich drängt es sich bei weiter gehender Analyse auf, dass auch im Jugendstrafrecht eine entsprechende Änderung erfolgen sollte, obwohl die Mindestjugendstrafe bei 6 Monaten liegt und damit kürzere Jugendstrafen gar nicht verhängt werden können. Der Grundgedanke der einheitlichen Sanktionierung im JGG führt nämlich schon jetzt dazu, dass junge Mehrfachauffällige bei geringen Delikten nicht selten zu höheren Strafen verurteilt werden als dies nach Erwachsenenstrafrecht der Fall wäre. Die Anwendung von Jugendstrafrecht könnte deshalb für einen schon auf Bewährung verurteilten Heranwachsenden zukünftig von erheblichem Nachteil sein, wenn bei einer neuen Straftat eine neue Einheitsjugendstrafe festgesetzt wird. Denn so entfällt nicht nur –wie bisher- die Möglichkeit, dass er zu einer Geldstrafe verurteilt wird, sondern er hätte auch keine Chance, eine nach Erwachsenenstrafrecht verhängte kurze Freiheitsstrafe im Rahmen von gemeinnütziger Arbeit abwenden zu können. Um eine deutliche Schlechterstellung von Heranwachsenden zu vermeiden, die nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, sollte deshalb eine Angleichung im JGG erfolgen.
IV. Umsetzung der Regelungen bei der gemeinnützigen Arbeit
Um die geplanten Regelungen im Bereich der gemeinnützigen Arbeit umzusetzen, bedarf es eines flächendeckendem Netz an betreuten Vermittlungs- und Einsatzstellen im ganzen Bundesgebiet. Hiervon wird abhängen, wie schnell und wie erfolgreich sich die Anliegen des Gesetzesentwurfes umsetzen lassen und ob die erweiterten Möglichkeiten überhaupt von den Gerichten angenommen werden.
Zur Ausgangslage ist folgender Befund festzuhalten:
Der Gesetzentwurf vertraut darauf, dass der Verurteilte von der Einsatzstelle oder der Vermittlungsstelle (Gerichtshilfe oder freier Träger) ausreichend betreut wird. In der geplanten Fassung des Art. 293 EGStGB findet sich ein entsprechendes Postulat aber nicht.
Die Praxis bei den bisherigen Regelungen für gemeinnützige Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist sehr uneinheitlich. Selbst innerhalb eines einzelnen Bundeslandes gibt es zwischen den einzelnen Bezirken gravierende Unterschiede.
Die in manchen Fällen wünschenswerte, wenn nicht dringend gebotene Betreuung findet keineswegs flächendeckend statt. Da sie arbeitsintensiv ist und Geld kostet, kann auch nicht erwartet werden, dass überall dieses Geld tatsächlich aufgebracht wird, wenn keine verbindliche Regelung getroffen wird. Darauf zu vertrauen, dass in den Fällen des § 55 a StGB, in denen die Prognose deutlich schlechter ist als in den Fällen der Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe oder in den Fällen der Freiheitsstrafe auf Bewährung mit Arbeitsauflage, dann schon eine geeignete Betreuung stattfinden werde, ist nicht ausreichend, schon gar nicht in Zeiten chronisch leerer Kassen.
Das Ziel, die Verbüßung von kurzen Freiheitsstrafen zu Gunsten von gemeinnütziger Arbeit zurückzudrängen, wird nur erreicht werden können, wenn eine intensive Betreuung möglich ist und vom Gericht in entsprechenden Fällen auch angeordnet werden kann. Es ist absolut nicht einzusehen, dass das Gericht in den Fällen der Strafaussetzung zur Bewährung mit einer Arbeitsauflage die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers anordnen kann, dass dies aber in den schlimmeren Fällen des § 55 a StGB nicht möglich sein soll. Ohne geregelte professionelle Betreuung wird das Gericht sonst gar nicht umhinkommen, § 55 a Absatz 1 Satz 3 StGB zu bejahen und die Abwendung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit nicht zuzulassen, obwohl mit einer geregelten Betreuung noch ein Versuch der Abwendung der Vollstreckung durch gemeinnützige Arbeit gemacht werden könnte.
Wenn der Verurteilte nicht am Gerichtsort wohnt, verfügt das Gericht auch nicht über Erfahrungen mit der für den Wohnort des Verurteilten zuständigen Vermittlungsstelle und den dort zur Verfügung stehenden Einsatzstellen. Eine verantwortliche Entscheidung, ob von § 55 a Absatz 1 Satz 1 und 2 StGB Gebrauch gemacht werden kann oder ob gleich der § 55 Absatz 1 Satz 3 StGB angewendet werden muss, ist in diesen Fällen ohne eine bundesweit zumindest ähnliche Art der Betreuung von
„Problemkandidaten“ nicht möglich. Es ist deswegen notwendig, entweder in § 55 a StGB die Anordnung einer besonderen Betreuung vorzusehen oder in Art. 293 EGStGB zu regeln, dass eine Betreuung zu erfolgen hat, wenn dies erforderlich ist.
V. Ausblick
(1) Zur Umsetzung der gemeinnützigen Arbeit in der Praxis:
Es wird nach dem vorstehend Ausgeführten in der Praxis in jedem Fall einer Neulösung erheblicher Bedarf an Einsatzstellen entstehen, die in dem notwendigen Umfang bisher wohl fast nirgends zur Verfügung stehen. Auch wird die Anzahl der zu vermittelnden Personen so sehr steigen, dass eine qualitativ gute und damit auch erfolgreiche Vermittlung in der Regel nur durch eigenständige Projekte bei Einrichtungen der Freien Straffälligenhilfe gewährleistet werden kann.
Wie in der Begründung des Gesetzesentwurfes treffend ausgeführt, bedarf es nämlich bei sehr vielen Verurteilten einer entsprechenden Begleitung und Betreuung, um die Ableistung von einer hohen Stundenzahl sicherzustellen. Diese zeitintensive Aufgabe kann von den sozialen Diensten der Justiz (Bewährungshilfe, Gerichtshilfe) ohne Stellenausbau dauerhaft nicht im notwendigen Maße wahrgenommen werden.
Auch gelingt es spezialisierten Stellen eher, auf regionaler Ebene neue Einsatzstellen zu gewinnen und durch eigene Arbeitsprojekte neue Ableistungsmöglichkeit für schwer vermittelbare Klienten zu schaffen.
Die Kosten, die durch die Haftvermeidung eingespart werden, sollten deshalb für den bundesweiten Ausbau entsprechender Vermittlungsstellen verwendet werden. Nur bei entsprechender finanzieller Unterstützung dieser Stellen wird sich der gewünschte Anstieg der gemeinnützigen Arbeit realisieren lassen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Zunahme der Verurteilten und die oft sehr hohen Stundenzahlen.
Ferner muss bedacht werden, dass für die Staatsanwaltschaften (Geldstrafe) und die Gerichte (Verwarnung mit Strafvorbehalt / Abwendung der Freiheitsstrafe) die Überwachung der gemeinnützigen Arbeit einen hohen zusätzlichen Aufwand darstellt. Sie sind auf professionelle und kontinuierliche Ansprechpartner vor Ort angewiesen, die nicht nur für die Vermittlung und Betreuung der Verurteilten zuständig sind, sondern die auch bei Schwierigkeiten umgehend die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht informieren.
Schließlich möchten wir darauf hinweisen, dass der DBH-Fachverband sich schon seit längerem mit dem Ausbau der gemeinnützigen Arbeit beschäftigt. Es hat sich Anfang des Jahres 2003 eine länderübergreifende Arbeitsgruppe „Qualitätsstandards gemeinnützige Arbeit“ gebildet. Unter der Federführung des DBH-Fachverbandes und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes treffen sich hier Vertreter verschiedener Vereine, die schon in der Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit tätig sind. Ziel hierbei ist, im Rahmen einer bundesweiten Vernetzung fachliche Fragen und Erfahrungen zu besprechen und Qualitätsstandards zu entwickeln. Damit soll zukünftigen Trägern die Grundlage für eine qualitativ hochwertige Vermittlungstätigkeit gegeben werden und ein bundesweiter Ausbau der gemeinnützigen Arbeit erleichtert werden. Bei der Umsetzung des Gesetzesentwurfes wäre die Einrichtung eines „Service-Büro Gemeinnützige Arbeit“ sicherlich wünschenswert, um Praktikern und Vereinen Informationen und Fortbildung anbieten zu können. Der DBH - Fachverband ist in Zusammenarbeit mit der oben genannten Arbeitsgruppe gerne bereit, eine Konzeption für ein solches bundesweites Service-Büros zu erstellen.
(2) Opferorientierung:
Die bessere Berücksichtigung von Opferinteressen durch die Sicherung des Vorranges der Wiedergutmachung gegenüber der Vollstreckung einer Geldstrafe sollte unseres Erachtens noch dahingehend ausgebaut werden, dass die Entschädigungsansprüche nicht aus derselben Tat hervorgehen müssen, wegen der die Strafe verhängt worden ist. Denn in der Praxis kommt es nicht selten vor, dass schon geregelte Wiedergutmachungszahlungen an das Opfer einer Straftat (z. B. monatliche Schmerzensgeldzahlungen aufgrund eines Körperverletzungsdeliktes) in Frage gestellt werden, weil der Verurteilte nun eine Geldstrafe (z. B. wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis) zahlen muss. Auch bei solchen Konstellationen sollten die Zahlungen an das Opfer einer Straftat immer Vorrang vor der Zahlung einer Geldstrafe haben.