In den letzten Jahrzehnten gab es verschiedene Bestrebungen, die soziale Integration von straffällig gewordenen Personen zu verbessern. Bundesweit wurden unterschiedliche Konzepte und Strategien entwickelt, von der beruflichen Qualifizierung bis hin zu umfassenden sozialintegrativen Konzepten.
Soziale Integration bzw. Wiedereingliederung wird hier nicht nur als ein Prozess der Erlangung von Wohnung, Einkommen und Arbeit , sondern als aktive Integration - als soziale Einbindung, Anerkennung sowie Wiedergutmachung verstanden, kurz: als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Resozialisierung ist in diesem Sinne keine einseitige Leistung des zu Resozialisierenden. Wir brauchen eine Gesellschaft, die sich durch ihre Grundhaltung, durch engagierte Personen und durch vorhandene Unterstützung und Dienste für die soziale Integration von Straffälligen einsetzt.
Wiedereingliederungsarbeit vor Ort
Kriminalität und Straffälligkeit betrifft nicht nur Täter*innen und Opfer, sondern genauso die Gemeinschaft. Gemeinschaft meint dabei nicht nur Familien sowie weitere Unterstützer*innen aus dem sozialen Umfeld, sondern auch die Nachbarschaft vor Ort und lokale Einrichtungen. Denn es gilt: Vor Ort entstehen die Konflikte und nur dort kann eine entsprechende Wiedereingliederungsarbeit sinnvoll erfolgen.
Einbindung in soziale Strukturen vor Ort: ressortübergreifende Zusammenarbeit, Einbindung lokaler Akteure sowie der Zivilgesellschaft
Das Risiko einer erneuten Straffälligkeit kann nicht allein durch die Justiz gesteuert werden, sie ist ebenso von der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Sozial- und Wohnungspolitik abhängig. Die Forderungen gehen einher mit Ergebnissen der Desistance-Forschung (Ausstiegs-Perspektive). Wirkungsvoll scheinen die Einbindung in soziale Strukturen vor Ort, die Interventionen in Form von Unterstützung und Betreuung zu sein, um straffällig gewordene Personen zur Veränderung der Persönlichkeit, des eigenen Selbstkonzeptes sowie zur Übernahme von Verantwortung für sich selbst und sein Leben zu motivieren.
Bündelung von lokalen Präventions- und Wiedereingliederungsmaßnahmen
In den Gemeinden und Kommunen besteht vielfach ein Nebeneinander von Präventions- und Wiedereingliederungsmaßnahmen. Straffälligkeit als gemeinschaftliche und gemeindebezogene Aufgabe zu verstehen, fordert deshalb eine quartiersbezogene Kriminal- und Sozialpolitik. Neben der Normverdeutlichung und Ablehnung von Straffälligkeit ist ebenso Wiedergutmachung und ein sozialer Ausgleich vor Ort erforderlich.
Straffällig gewordene Personen bewegen sich zwischen verschiedenen Ressorts und Institutionen. Daher ist es erstens erforderlich eine ressortübergreifende Zusammenarbeit unterschiedlicher beteiligter Ressorts wie Justiz, Arbeit, Bildung und Gesundheit sowie zweitens die stärkere Einbindung verschiedener Akteure des Stadtteils zu stärken. Zu nennen sind hier neben der Freien Straffälligenhilfe insbesondere Bildungs- und Beschäftigungsträger. Drittens sind weitere zivilgesellschaftliche Institutionen der lokalen Gemeinschaft einzubeziehen wie etwa Stadtteilkonferenzen.
Dies schafft die Möglichkeit, dass sich die Justiz gegenüber Akteuren des Stadtteils öffnet und gleichzeitig der Stadtteil bereit ist, straffällig gewordene Personen aufzunehmen. Nur so lässt sich Integration fördern und Ausgrenzung verhindern.
In einzelnen Regionen geschieht dies bereits. Diese Wege gilt es besser zu koordinieren und zu gestalten.
Gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme
Eine gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme für die Aufgaben der Resozialisierung und Vermeidung von Straftaten ist längst überfällig! Die Justizministerkonferenz hat sich bereits einstimmig für die Wiedereingliederung entlassener Strafgefangener als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ausgesprochen und die Bundes- und Landesministerien zur Mitwirkung aufgefordert. Die Übernahme von Verantwortung auf regionaler Ebene ist zu strukturieren und zu institutionalisieren, wie dies beispielhaft mit der Kooperationsvereinbarung in Baden-Württemberg zwischen verschiedenen Ressorts und Akteure initiiert wurde.
Somit lassen sich die Folgen von Kriminalität, insbesondere bei den Betroffenen, Opfern und der Gemeinschaft, besser beheben und auch die Verhütung weiterer Straftaten im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention erfolgreicher gestalten.
Beispiele aus Dänemark und Niederlande
Als Orientierung zur konzeptionellen Umsetzung in Deutschland wird hier auf Dänemark und die Niederlande verwiesen. In Dänemark existiert seit 2010 eine verbindliche Kooperationsvereinbarung mit allen an der Entlassung von Personen aus dem Strafvollzug beteiligten Institutionen. Die Ansprechpartner*innen in den Gemeinden werden durch eine verantwortliche Person aus dem Justizministerium betreut. In den Niederlanden wurden in allen Regionen das Konzept „Safety House“ etabliert. Das „Safety House“ ist vor Ort zuständig für die soziale und berufliche Wiedereingliederung. In regelmäßig stattfinden Fallkonferenzen vor Ort treffen sich alle für den Fall relevanten Akteure wie die Bewährungshilfe, der Strafvollzug, die Staatsanwaltschaft, die Polizei sowie kommunale und zivilgesellschaftliche Institutionen, um notwendige Verfahrensschritte und Interventionen miteinander abzustimmen.
Seine 23. DBH-Bundestagung führt der DBH-Fachverband in Kooperation mit der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg und dem Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg vom 09. bis 11. Oktober 2018 in Heidelberg durch. Rund 200 Teilnehmer*innen aus der Bewährungshilfe, der Straffälligenhilfe, dem Strafvollzug und der Wissenschaft können sich in 16 Workshops und sechs Vorträgen über verschiedene Modelle, Arbeitskonzepte und neue Strategien im Umgang mit straffällig gewordenen Menschen austauschen.
Das Thema der 23. DBH-Bundestagung lautet Straftat – Verurteilung – und dann? Community Justice – Wiedereingliederung als gemeinschaftliche Aufgabe.