Das Forschungsprojekt „Praxisorientierte Analyse von Deradikalisierungsprozessen (PrADera)" wurde zwischen 2018 und 2020, in Zusammenarbeit mit verschiedenen bundesweit agierenden Organen durchgeführt. Die Forschenden versuchten darüber Erkenntnisse zu generieren, wie, wann und weshalb eine Distanzierung von der Ideologie geschieht und dieses Wissen für die Präventions- und Bewährungshilfe nutzbar zu machen. Die erzielten Erkenntnisse seien für die Gesellschaft von Bedeutung, da sie extremistische Wiederholungstaten nach der Haftentlassung verhindern zu versuchen. Aus diesem Grund können Beratungsstellen innerhalb des Strafvollzugsapparats jenes Wissen der Forschenden nutzen, um im Sinne einer tertiären Prävention Inhaftierte vor Rückfälligkeit und die Gesellschaft vor jenen zu bewahren.
Um die Prozesse einer gelungenen Abkehr von der Ideologie nachvollziehen zu können, wurden 16 Ausgestiegene interviewt. Hierzu wurden ausgewählte Forschungsfragen nach der sozialkonstruktivistischen Biografieforschung genutzt, um Einblicke in die Biografien zu erhalten. Eine der zentralen Forschungsfragen war, mit welchen biografischen Erfahrungen die Hinwendung zum islamistischen Extremismus und die Distanzierung davon im Zusammenhang stehen.
Da die Befragten in unterschiedlichen Phasen des Deradikalisierungsprozesses steckten, sollte keine psychische Belastung auf sie ausgeübt und eine Distanzierung behindert werden.
Für das narrative Interview wurde lediglich eine Einstiegsfrage gestellt, um die Teilnehmenden dazu einzuladen, den Fortlauf des Erzählten zu steuern. Daraufhin folgte ein leitfadengestützter Nachfrageteil. Im Nachgang wurden Narrationsanalysen genutzt, um Typen der Distanzierungsverläufe skizzieren zu können. Für Interessierte empfiehlt es sich hierzu, den Forschungsbericht zu lesen:
Emser, Corinna/Haase, Imke/Moeller, Mika/Nagel, Christoph/Pelzer, Robert (i. E.): Distanzierungsverläufe vom salafistischen Extremismus. Eine empirische Studie über die Vielfalt individueller Wege der Loslösung vom Salafismus. Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Als für den Distanzierungsprozess förderliche Aspekte wird Unterstützung von nahestehenden Personen sowie Beratungsstellen angeführt. Hemmend wirkt hingegen, wenn weiterhin Kontakte zur Szene fortbestehen.
Ausgehend von vorgestellten Erkenntnissen formulieren die Forschenden Handlungsempfehlungen:
Die Inhaftierungszeit sollte genutzt werden, um die Personen zu erreichen und beratend zu unterstützen. Dieses Angebot sollte auch nach der Entlassung gepflegt werden und psychotherapeutische Begleitung umfassen. Der Umfang einer solchen Unterstützung sollte stets an den Grad der Ideologie angepasst sein.
Schließlich betonen sie, weitere Forschung hierzu sei nötig, da die Zu- sowie Abwendung zur/von der Ideologie genauso wie die Biografien individuell und höchst unterschiedlich seien und die Interviews lediglich einen kleinen Einblick in die Beweggründe gewähren konnten.