Bericht zur CEP Konferenz on Probation and restorative justice as alternatives to detention

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Vom 23. bis 25. Mai 2023 veranstaltete die CEP zusammen mit dem Justizministerium der Slowakischen Republik die Konferenz on Probation and restorative justice as alternatives to detention within the European Framework. Es waren 48 Teilnehmer:innen aus 19 verschiedenen europäischen Ländern auf der CEP-Konferenz in Bratislava vertreten.


Wie die in der Recommendation CM/Rec(2018)8 of the Committee of Ministers to member States concerning restorative justice in criminal matters formulierte Berücksichtigung von Restorative Justice in der Bewährungshilfe mit dem Ziel einer Verbesserung der Resozialisierung, der Minimierung des Rückfallrisikos sowie der Lösung von Konflikten in Zusammenhang mit Straftaten, gelingen kann, war Gegenstand der Konferenz.

Vladimír Cehlár (General Executive Director) vom Justizministerium der Slowakischen Republik referierte im Eröffnungsvortrag über den Aufbau und die Herausforderungen des „Probation and Mediation Service” in der Slowakischen Republik. Der rechtliche Rahmen für den Probation und Mediation Service bildet das Gesetz über Bewährungshilfe und Mediation (Gesetz Nr. 550/2003 Slg.), welches am 01.01.2004 in Kraft getreten ist. Zuvor wurde in den Jahren 2001 bis 2003 die Bewährungshilfe zunächst in einem Pilotprojekt getestet. In den Folgejahren erfolgte die Professionalisierung der Bewährungshilfe durch Unterstützung aus Belgien und der Tschechischen Republik. Zum 01. Februar 2023 änderte sich die Firmierung in „Unit on Restorative Justice and Probation“ mit einer stärkeren Fokussierung auf eine wiedergutmachende und opferorientierte Justiz. Auf regionaler Ebene wurden sog. „Departments of probation and mediation“ eingerichtet. In der Slowakischen Republik gibt es landesweit 13.000 Personen unter Bewährung sowie 1.100 laufende Mediationen. Die Fallbelastung pro Bewährungshelfer:in liegt im Durchschnitt bei 166 Fällen. Im Strafvollzug befinden sich 8.018 Inhaftierte.

Im Anschluss sprach Annie Devos (CEP Präsidentin, Vize-Präsidentin der PC-CP und Direktorin der Bewährungshilfe in Wallonien-Brüssel) über „Alternativen in der belgischen Praxis: Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit, Grenzen“. Seit den 1990er Jahren hat Belgien neben der Freiheitsstrafe eine Vielzahl an Alternativen zur Haft wie Mediation, gemeinnützige Arbeit und elektronische Überwachung eingeführt. Die spannende Frage hierbei ist, ob die Einführung zahlreicher Alternativen zu einer Reduzierung von Freiheitsstrafen geführt hat. Zur Beantwortung der Frage präsentierte Annie Devos die Daten aus SPACE I und SPACE II. Für Belgien liegt die Anzahl an Strafgefangenen pro 100.000 Einwohner:innen bei 589 in 2021 und damit deutlich über dem europäischen Durschnitt (von 257). Ein Vergleich der Zahlen von 2017 bis 2021 hinsichtlich der Anzahl an Untersuchungsgefangenen, an verhängten Alternativen zur Untersuchungshaft sowie zur Nutzung von electronic monitoring zeigt über den gesamten Zeitraum (1) eine relativ gleiche Anzahl an Untersuchungsgefangenen, (2) eine Verdopplung an Personen unter electronic monitoring sowie (3) ein leichter Anstieg an verhängten Alternativen zur Untersuchungshaft. Kurzum: die Einführung und Ausweitung von Alternativen zur Haft haben zu keiner Reduzierung der Anzahl an Untersuchungsgefangenen in Belgien geführt, womit nach Annie Devos ein sog. Net-Widening in Belgien zu beobachten ist. Das Ergebnis steht im Widerspruch zur Recommendation of the European Commission of 08/12/22 on the procedural rights of suspected and accused persons in pre-trial detention and on the material conditions of detention, die Untersuchungshaft als letztes Mittel vorsieht und innerhalb des Landes entsprechende Alternativen zu fördern sind. Annie Devons plädiert dafür, genau auf die Entwicklung der Inhaftiertenzahlen zu schauen und die Anwendung von Alternativen kritisch zu prüfen. Sie plädiert dafür,

  • den Ultima Ratio-Grundsatz einzuhalten
  • soziale Handlungen nicht zu kriminalisieren (Entkriminalisierung)
  • den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung von Strafen einzuhalten
  • Menschenrechte und -würde zu respektieren.

Neben dem Net-Widening-Effekt scheint in Belgien ein weiteres Problem zu sein, dass mehr als 40 % der Gefangenen in Untersuchungshaft keinen Aufenthaltstitel besitzen.
Auch wenn Alternativen zur Haft grundsätzlich zu begrüßen sind, sind die damit verbundenen Einschränkungen und Bürden nicht zu unterschätzen. Die Anwendung des Strafrechts hat dem Ultima Ratio-Prinzip zu folgen. Unabdingbar ist auch darüber nachzudenken, wie in der Öffentlichkeit über Urteile und Maßnahmen kommuniziert wird. Annie Devos fordert entsprechende Aufklärungsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien, welche Bedeutung und Rolle Sanktionen mit und ohne Freiheitsentzug haben. Ebenso muss darüber gesprochen werden, welche Auswirkungen durch Ein- und Beschränkungen bei der einzelnen Person damit verbunden sind. In der Gesellschaft bestehen zahlreiche Hindernisse, die Verurteilte zu überwinden haben. Die Gesellschaft muss integrativer werden und die Wiedereingliederung von Proband:innen fördern.
Zur Präsentation: https://www.cep-probation.org/wp-content/uploads/2023/05/2_Annie-Devos_Alternatives-in-Belgian-practice.pdf

Im Anschluss erfolgten zwei Workshops:
(1) Effective communication as a basic professional skill:
Jānis Zārdiņs informierte die Teilnehmenden im ersten Teil des Workshops zunächst über die Entwicklung der staatlichen Bewährungshilfe in Lettland und stellte dar, wie es der Bewährungshilfe gelungen ist, die Kommunikation / den Austausch mit lokalen/kommunalen Behörden zu verbessern. In Lettland erfolgten in den letzten zehn Jahren verschiedene Spezialisierung im Umgang mit besonderen Klient:innengruppen wie Sexualstraftäter, Gewaltstraftäter und Extremisten. Der zweite Teil des Workshops bestand aus einer Gruppenarbeit. Die Teilnehmenden wurden zunächst aufgefordert, Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Organisation zu definieren. Im nächsten Schritt sollten hierzu geeignete Methoden und Ressourcen benannt werden, um die eigene Fähigkeiten in der Arbeit mit schwierigen Proband:innen zu verbessern.
Zur Präsentation: https://www.cep-probation.org/wp-content/uploads/2023/05/3_Workshop-A_Janis-Zardins_Effective-Communication-as-a-Basic-Professional-Skill.pdf

(2) Probation services as evolving organizations:
Goran Brkić, Direktor der Bewährungshilfe aus der Slowakischen Republik präsentierte zunächst, wie sich die Bewährungshilfe seit ihrer Institutionalisierung in 2009 weiterentwickelt und immer neuen Herausforderungen in der Kriminalpolitik angepasst hat. Goran Brkić plädierte dafür, dass sich die Bewährungshilfe immer wieder verändern muss; sie muss ihre Arbeit an gesellschaftliche Veränderungen anpassen, neue Behandlungsprogramme entwickeln, mehr Technologie in der Kommunikation mit den Klient:innen einsetzen, sowie viele andere Veränderungen vornehmen, wenn sie ihre Tätigkeit am aktuellen Forschungsstand ausrichten und effektiv bleiben will. Im Anschluss erfolgte eine Diskussion, wie die Bewährungshilfe auf neue Herausforderungen reagieren kann.
Zur Präsentation: https://www.cep-probation.org/wp-content/uploads/2023/05/4_Iuliana-Carbunaru_Alternatives-overview.pdf

Nach der Mittagspause gab Iuliana Cărbunaru (Justizministerium Rumänien und Vizepräsidentin der CEP) einen Überblick über Bewährungshilfe und andere Alternativen in Europa. Bewährungshilfe als Rechtsinstitut und Organisation hat sich in Europa sehr ungleichmäßig entwickelt. Einige Länder können auf über 200 Jahre Geschichte zurückblicken, in anderen Ländern wurde die Bewährungshilfe erst vor ein paar Jahren etabliert. Alle Bewährungshilfeorganisation teilten letztendlich das gleiche Ziel, Proband:innen in der Resozialisierung zu unterstützen. Bei der Vorstellung und dem Vergleich der „Bewährungshilfesysteme“ in Europa zeigte sich direkt bei der Frage nach der Definition eine große Herausforderung. Iuliana Cărbunaru empfiehlt hierbei auf die Definition der European Probation Rules (2010) zurückzugreifen: Probation „relates to the implementation in the community of sanctions and measures, defined by law and imposed on an offender. It includes a range of activities and interventions, which involve supervision, guidance and assistance aiming at the social inclusion of an offender, as well as at contributing to community safety.” In den letzten 20 Jahren hat sich auf europäischer Ebene im positive Sinne viel getan: Es wurden zahlreiche Empfehlungen und Standards veröffentlicht, die die Bewährungshilfe betrifft, wie die Recommendation CM/Rec(2018)8 of the Committee of Ministers to member States concerning restorative justice in criminal matters, die Recommendation CM/Rec (2017) 3 of the Committee of Ministers to member States on the European Rules on community sanctions and measures,  Recommendation CM/Rec (2010) 1 of the Committee of Ministers to member States on the Council of Europe Probation Rules und die United Nations Standard Minimum Rules for Non-custodial Measures. Gleichzeitig wurde in den letzten 20 Jahren nicht nur sukzessive die Bewährungshilfe in v.a. osteuropäischen Ländern eingeführt, sondern auch ausgebaut und gestärkt. Im Weiteren präsentierte Iuliana Cărbunaru zentrale Fakten von der Bewährungshilfe aus einigen europäischen Mitgliedsstaaten.
Zur Präsentation: https://www.cep-probation.org/wp-content/uploads/2023/05/4_Iuliana-Carbunaru_Alternatives-overview.pdf

Der erste Tag endete mit einem „Roundtable“ zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen bezogen auf Restorative Justice und Alternativen zur Untersuchungshaft im eigenen Land. An dem Gespräch nahmen teil: Martin Lulei (Slowakei), Ivana Vukovic (Kroation), Daniel Wolter (Deutschland), Daniel Danglades (Frankreich).

Am zweiten Konferenztag referierte zunächst Andrea Matoušková vom Probation and Mediation Service aus der Tschechischen Republik zu Alter Your Life Path: offenders´ rehabilitation from Czech perspective. Andrea Matoušková stellte zunächst einige Daten zur Bewährungshilfe dar und zeigte auf, warum aufgrund zunehmender Überbelegung im Strafvollzug ein „Strategiewechsel“ in der Kriminalpolitik in der Tschechischen Republik notwendig gewesen ist. Die Rückfallrate ehemaliger Inhaftierter lag bei durchschnittlich 63 Prozent. Von 2020 bis 2024 wird aus Fördermitteln aus Norwegen das Projekt „Back to Life“ finanziert. Straftäter sollen im Prozess der Resozialisierung durch bestimmte Programme, untergebracht in einem sog. Bewährungshilfe-Haus, unterstützt werden. Im Kern geht es hierbei um (a) die Stärkung und Schaffung einer Lebensperspektive i.S. von Desistance, (2) den Umgang mit den Folgen einer Inhaftierung und (3) die Überwindung von Diskriminierung und Vorurteilen. Der Bau und der Betrieb eines sog. Bewährungshilfe-Haus als Alternative zur Inhaftierung direkt in einer Gemeinschaft gelang nur durch vielfachen Austausch mit der Nachbarschaft und der Kooperation lokaler Akteure, um Akzeptanz herzustellen.
Zur Präsentation: https://www.cep-probation.org/wp-content/uploads/2023/05/5_Andrea-Matouskova_Alter-your-Life-Path_Czech-Perspective-reduce2.pdf

In dem letzten Vortrag referierte Ingunn Seim aus Norwegen zu „Drug Court as a Substitute to Detention“. Das norwegische Modell der „Drug Courts“ begann als Pilotprojekt in den Städten Bergen und Oslo im Jahr 2006 im Rahmen einer Initiative mehrerer Ministerien. Drogenabhängige Straftäter, die Straftaten in Zusammenhang mit ihrer Drogensucht begehen, können zur Teilnahme an einem Substitutionsprogramm als Alternative zu einer Haftstrafe verurteilt werden. Aufgrund der guten Ergebnisse wurde das Projekt dauerhaft und landesweit ab 2016 in Norwegen etabliert. Diese Alternative zur Haft ermöglicht es einer verurteilten Person, Wiedergutmachung und damit einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Mit der Einführung von „Drug Courts“ hat die norwegische Regierung anerkannt, dass Drogenabhängigkeit eine Erkrankung ist, die durch gemeinsame Anstrengung und großem Engagement der verurteilten Person behandelt werden kann.

Alle Präsentationen, Bilder sowie weitere Informationen sind auf der Website der CEP zu finden:
https://www.cep-probation.org/12th-cep-electronic-monitoring-conference-presentations-workshop-results-and-pictures-are-online/

 

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Mitglied in der:

Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffäligenhilfe e.V.Confederation of European Probation

Kooperationspartner:

Deutscher Präventionstag
KriPoZ Kriminalpolitische Zeitschrift

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