Die Forschung zur Kriminalitätsgewöhnung begann in den 90er Jahren. Seitdem hat die Desistance-Forschung viele verschiedene Aspekte und Fokusse eruiert, die mit einem möglichen Ausstieg einhergehen und ihn positiv beeinflussen. Es besteht jedoch noch eine Forschungslücke bezüglich der Frage, inwieweit Personen aufgrund ihres Alters, der Länge ihrer kriminellen Laufbahn oder der Art der früheren kriminellen Laufbahn aus denselben oder unterschiedlichen Gründen aufhören. Dieser Forschungsfrage haben sich Farall & Shapland (2022) in einer in England durchgeführten Desistance-Studie angenommen.
Desistance bezieht sich allgemein auf ein Kontinuum, das mehrere Jahre straffreien Verhaltens ebenso umfasst wie die kürzlich erfolgte Verpflichtung, weitere Straftaten zu vermeiden. Im Idealfall sollte dies durch Beweise für Versuche der Verhaltensveränderung manifestiert werden.
In der Studie kristallisierten sich vier verschiedene Straftäterprofile heraus: 1) der Straftäter mit begrenzter krimineller Laufbahn, 2) Drogenstraftäter, mit einem anschließenden Entzug, 3) "Straßentäter" mit einer recht großen Bandbreite an Straftaten und 4) die Gruppe der Alkoholabhängigen. Alle Gruppen vereinte jedoch das Beenden ihrer kriminellen Laufbahn. Die Analyse deutet darauf hin, dass Personen mit einer begrenzten Straffälligkeitskarriere diese eher beendeten als andere Straftätergruppen.
Sie verglichen ihre Situation mit einer Einmaligkeit. Drogenmissbrauch führt bei Personen zu weiteren Straftaten, sofern der Konsum nicht als ein eigenständiger und veränderbarer Faktor anerkannt wird. Ein Ausstieg ist bei diesen Straftäter:innen in den meisten Fällen an eine Drogen- oder Alkoholrehabilitation gekoppelt. Oftmals spielen auch sogenannte Rational-Choice-Erklärungen, das Abwägen von Kosten und Nutzen bei einer Fortsetzung der kriminellen Karriere, die Hilfe durch das Strafverfolgungssystem oder auch diachrone Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle eine wesentliche Rolle bei der Beendigung der kriminellen Laufbahn.
In der Studie wurde überraschend festgestellt, dass es bei den von den Befragten angegebenen Gründen für den Ausstieg fast keine Unterschiede je nach Alter zu geben scheint. Das Gleiche gilt für andere altersabhängige Variablen wie die Länge der kriminellen Laufbahn oder das Jahr der letzten Verurteilung. Faktoren des Ausstiegs wie Einstellungsänderungen, Distanzierung von dem geografischen Gebiet, in dem sie straffällig geworden waren, Partner und Kinder wurden von manchen Befragten als wichtig erachtet. Allerdings konnten die genannten Faktoren nicht spezifisch auf ein Alter oder Zeitraum zugeordnet werden.
Ziele der Resozialisierung setzen sich aus internen und externen Faktoren zusammen, wobei einige Faktoren zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine größere Rolle spielen können als andere. Dazu gehören Aspekte wie Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit, familiäre Probleme, Unterbringung, die Notwendigkeit, sich von früheren Mitgliedern zu distanzieren und die Verfügbarkeit von Unterstützung. Diese Faktoren sind für alle straffällig gewordenen Personen relevant und es geht darum, die individuellen Unterschiede im Leben und den sozialen Kontext, in dem die Personen mit diesen Faktoren konfrontiert sind, zu berücksichtigen. Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Resozialisierung ist, dass die Straftäter:innen die von ihnen benannten Faktoren als relevant und bedeutsam wahrnehmen und vor allem die Motivation während des Resozialisierungsprozesses aufrechterhalten wird. Nur so kann eine langfristige Desistance erreicht werden.
[Farall, Stephen/ Shapland, Joanna: Do the reasons why people desist from crime vary by age, length of offending career or lifestyle factors?(02.11.2022)] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/hojo.12494