Bericht zum CEP-Webinar Electronic Monitoring: Erfahrungsaustausch zu EM während der Covid-19-Pandemie

CEP

Am Mittwoch, den 12. Mai 2021 fand das von der CEP organisierte Webinar zum Thema Electronic Monitoring statt. Die Online-Veranstaltung ersetzte die alle zwei Jahre stattfindende „Electronic Monitoring Conference“, die aufgrund der Corona-Pandemie auf Mai 2022 verschoben werden musste.

Herr Arto Kujala, Direktor der finnischen Strafverfolgungsbehörde, die die Veranstaltung in Helsinki ausgerichtet hätte, eröffnete das Webinar. Im Anschluss erfolgten Präsentationen von Cara Tabachnick, freiberufliche Journalistin, die zum Thema „globale Kriminalität“ arbeitet und Mike Nellis, emeritierter Professor an der Universität Strathclyde, Schottland.

Cara Tabachnick berichtete, dass es europaweit zu einer massiven Ausweitung der Anwendung von Electronic Monitoring in 2020 für unter Bewährung stehende Personen während der COVID-19-Pandemie kam. Für aus dem Strafvollzug entlassene Personen würden europaweit etwa 25 bis 30 % mehr ehemalige Inhaftierte nun entsprechende Armbänder tragen als vor der Pandemie. Cara Tabachnick geht davon aus, dass die Anzahl der Anwendungen von Electronic Monitoring in den nächsten Jahren weiter steigen wird, da sich die Anbieter auf die Ausweitung im Bereich „Hausarrest“ vorbereiten würden. Anhand von Italien, Niederlanden und Spanien wird die in 2020 beobachtete Ausweitung deutlich:

In Italien bestellte das Justizministerium um die 2.500 neue Armbänder für die Entlassung inhaftierter Personen, auch die Niederlande bestellten in 2020 zusätzlich 1.500 Armbänder. Spanien orderte insgesamt 3.400 zusätzliche Armbänder. Der höchste Zuwachs sei in den USA mit zusätzlich bestellten 7.299 Armbändern zu verzeichnen. In den USA befinden sich aktuell 25.192 Personen unter elektronisch überwachten Hausarrest. Gleichzeitig ist in einigen Bundesstaaten in den USA ein gegenläufiger Trend zu beobachten (z.B. Massachusetts): hier ist es zu einem deutlichen Rückgang in der Anwendung von EM gekommen. Bewährungshelfer:innen setzen hier weniger auf die alleinige Überwachung durch EM, sondern auf die Aufrechterhaltung von Kontakten per Telefon/Video.

In den USA stellte das Bureau of Justice Statistics insgesamt 850 Millionen USA-Dollar für staatliche Justizbehörden bereit, um mit COVID-19 in 2020 umzugehen. Weiterhin stellte das Office of Justice zusätzlich 70 Millionen US-Dollar an Zuschüssen bereit, um die Wiedereingliederung von Erwachsenen und Jugendlichen in die Gemeinde stärker zu unterstützen.

Cara Tabachnick beobachtete ebenfalls, dass sich die klassischen Anbieter der EM-Technologie auf weitere Bereiche spezialisiert haben (z.B. Covid-19-Überwachung, Notdienstverfolgung, Patientenüberwachung, Überwachung von Kindern). Die Unternehmen engagieren sich sehr stark im Einsatz von elektronischer Überwachung per Smartphones und anderer tragbarer Geräte.

Gleichzeitig kritisiert Cara Tabachnick Medienvertreter:innen und Journalist:innen, die zu wenig mit dem Thema Elecctronic Monitoring vertraut sind und die Entwicklung nicht kritisch hinterfragen würden. Viele Fragen rund um die Themen Datenschutz, Ethik und Sicherheitsfragen seien in der Ausweitung der Anwendung von EM noch nicht geklärt.

Im Anschluss referierte Mike Nelli über Electronic Monitoring vor und nach COVID-19. Mike Nelli beginnt mit seinem Vortrag mit der Frage, wie der Einsatz von EM während COVID-19 zu bewerten sei. Er stellt fest, dass es eine Art „common sense“ darüber geben würde, dass der verstärkte Einsatz von EM und damit als Alternative zur Inhaftierung zur Verringerung der Infektionsrisiken in Gefängnissen beitragen kann. Die Pandemie hat scheinbar dazu beigetragen, vermehrt auf technologische und digitale Lösungen zu setzen – der Vorteil in dieser Zeit sei vielen offensichtlich gewesen. Wie die Justiz und das Strafrechtssystem damit in 2020 genauer umgegangen ist, hat sich Mike Nelli in Schottland, England und Wales genauer angeschaut.

Seit 1998 ist ein vermehrter Einsatz von Electronic Monitoring im Strafrechtssystem in Europa zu beobachten. Das primäre Ziel der Einführung war eine Reduzierung der Inhaftierungszahlen bzw. sollte EM zur Haftvermeidung beitragen. Ein ausführlicher Diskurs über den Einsatz von EM, deren ethischen, strafkulturellen und politischen Aspekten sowie die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen in diesem Bereich, ist bisher nicht bzw. sehr uneinheitlich in Europa erfolgt. Für Schottland beschreibt Mike Nelli, dass vor der Pandemie ca. 1.200 Personen unter EM standen (zum Vergleich: im Durchschnitt waren 7.300 Personen inhaftiert). Mit Ausbruch von COVID-19 kam es auch in Schottland zur Einführung eines „harten Lockdowns“ und zum Stillstand des öffentlichen Lebens. Die Kommunikation mit Proband:innen erfolgte nur noch digital, gemeinnützige Arbeit und das Ableisten von Sozialstunden kam faktisch zum Erliegen. Die Regierung hatte kein Interesse mehr daran, durch den Einsatz von EM die Inhaftierungszahlen zu reduzieren. Damit reduzierte sich die Anzahl an Personen unter EM auf ca. 400. Als die Gerichtsbarkeit mit Aufhebung des Lockdowns wieder arbeitsfähig war, stieg die Anzahl an Personen unter EM auf ca. 1.300. Die gestiegene Anwendung von EM wurde weniger zur Haftvermeidung, sondern als Ersatz für sozialarbeiterische betreuende Tätigkeiten genutzt.

Während der Pandemie in 2020 erfolgten mehrere Initiativen und Prozesse zur Digitalisierung der Justiz und des Strafrechtssystems in Schottland. Dies weniger aus Effizienzgründen, sondern aus der Notwendigkeit bzw. faktischen Alternativlosigkeit heraus. Eingeführt wurde in der Bewährungshilfe eine sog. „blended supervision“. Mike Nelli geht davon aus, dass es im Zuge der forcierten Digitalisierung ebenfalls zu einer Ausweitung in der Anwendung von EM kommen wird.

In England und Wales ist der Einsatz von EM deutlich verbreiteter. Neben der Anwendung im Rahmen der Entlassung nach Strafende und bei vorzeitiger Entlassung aus dem Strafvollzug wird EM seit 2019/2020 auch im Zuge einer Bewährungsmaßnahme zur „Alkoholüberwachung“ eingesetzt. In 2020 wurden in England insgesamt 4.000 Personen vorzeitig entlassen und unter EM gestellt. Auch in England scheint es einen Trend zur vermehrten Anwendung von EM zu geben, um die Möglichkeit vorzeitiger Entlassungen auszuweiten.

Mike Nelli schließt seinen Vortrag mit folgenden Beobachtungen ab: In England/Wales und Schottland sei in 2020 eine Ausweitung der staatlichen Regulierung des Alltagslebens zu beobachten gewesen. Gleichzeitig sei die Abhängigkeit von Technologien in den verschiedenen gesellschaftlichen Lebensbereichen (Familienleben, Wirtschaft, Konsum, Freizeit etc.) gestiegen. In dem Mittelpunkt der Technologisierung stehe das Smartphone, dass erforderlich sein wird, um wieder Zugang zu gesellschaftlichen Bereichen zu erhalten (Kontaktnachverfolgung, Check-In, Nachweis von Corona-Tests, digitaler Impfpass). COVID-19 habe eine Situation geschaffen, die den Einsatz und die Ausweitung von Überwachungstechnologien verstärkt hat.

Mike Nelli warnt davor, auf Electronic Monitoring als alleiniges Mittel zu setzen, um Inhaftierungen zu vermeiden oder vorzeitige Entlassungen zu ermöglichen – erst recht in Anbetracht der multiplen Problemlage verurteilter Personen. Die betreuenden und sozialarbeiterischen Tätigkeiten seien für eine erfolgreiche Integration straffällig gewordener Personen unabdingbar.

Zu den Präsentationen auf der Website der CEP:
https://www.cep-probation.org/webinar-electronic-monitoring-sharing-experiences-regarding-em-during-the-covid-19-pandemic-state-of-play/

 

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

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