Alternative Sanktionen und der „Net-widening“-Effekt

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Mit der teilweisen gesetzlichen Implementierung von Alternativen Sanktionsformen in einigen europäischen Mitgliedsstaaten wird vermehrt auf das Problem des "Net-widening"-Effekts hingewiesen. Marcelo Aebi von der Universität Lausanne (Schweiz) präsentierte die aktualisierten Ergebnisse der Studie "Have Community sanctions and measures widened the net of the European criminal justice systems?" auf der CEP-Konferenz "Alternatives to Detention" in Bukarest.

"Community Sanctions and Measures (CSM)" (etwa Alternative Sanktionen) wurden als Sanktionsform aufgenommen, um die Inhaftierungszahl zu reduzieren. Aebi und Kollegen haben Daten aus 29 europäischen Mitgliedsstaaten über einen Zeitraum von 20 Jahren dahingehend untersucht, ob die Verwendung Alternativer Sanktionen tatsächlich zu einer Reduzierung der Inhaftierungszahlen führte oder ein Net-Widening-Effekt vorlag. Als Datenbasis dienten SPACE I and II (Council of Europe Annual Penal Statistics and on Persons Serving Non-Custodial Sanctions and Measures).

Unter Net-Widening wird nach Muncie "the processes whereby attempts to prevent crime and develop community-based corrections act to expand the criminal justice system and draw more subjects into its remit” (Muncie, 2001:262) verstanden.

Ergebnise:
In dem Betrachtungszeitraum von 1990 bis 2010 konnten die Autoren eine deutliche Zunahme in der Verwendung von Alternativen Sanktionen feststellen (insbesondere im Bereich der gemeinnützigen Arbeit). Im Jahr 2010 war in 17 von 29 untersuchten eruopäischen Mitgliedsstaaten die Anzahl von unter Bewährung stehenden Personen deutlich größer als die Anzahl inhaftierter Personen.
Gleichzeitig ist jedoch in mehr als die Hälfte der 29 europäischen Mitgliedsstaaten die Anzahl der Inhaftierungen in den letzten 20 Jahren gestiegen.
Insgesamt lassen sich zwei Fälle ausmachen: In 10 gegenüber der 29 untersuchten europäischen Mitgliedsstaaten ist sowohl die Anzahl der Inhaftierten als auch die Anzahl der Bewährungsprobanden am höchsten. Der Punivitätsgedanke sei in den 10 Staaten sehr stark ausgeprägt. Dies sind: England und Wales, Estland, Georgien, Lettland, Polen, Lettland und Spanien.
In der zweiten Gruppe befinden sich Länder, in denen die Anzahl der unter Bewährung stehenden und inhaftierten Personen in Relation zu den untersuchten Mitgliedsstaaten sehr niedrig ist. Hier werden Alternative Sanktionen sehr moderat eingesetzt. Dies sind Finnland, Norwegen und die Schweiz. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass "Community Sanctions and Measures" nicht als alternative Sanktionsform, sondern als genuine Sanktionsform vielfach verwendet werden.

Ergänzung:
1981 beschäftigte sich bereits Spaans im Rahmen einer Studie mit dem Zusammenhang der Einführung der gemeinnützigen Arbeit in den Niederlanden und dem Ziel, die Inhafteirungsraten zu verringen. Gemmeinützige Arbeit als Alternative Sanktion konnte in den Niederlanden verhängt werden, wenn die betreffende Person anderenfalls eine teilweise unbedingte Haftstrafe von sechs Monaten oder weniger erhalten hätte. In einem zehnjährigen Betrachtungszeitraum (bis 1994) konnte eine deutliche Zunahme in der Anordnung von gemeinnütziger Arbeit festgestellt werden, ohne dass dies einen signifikanten Einfluss auf die Anzahl von Freiheitsstrafen bis 6 Monate gehabt hätte. Ergebnis von Interviews mit Richtern war, dass gemeinnützige Arbeit als Alternative zu Geldstrafen oder zu Bewährungsstrafen betrachtet wurde und nicht ggü. einer Freiheitsstrafe. Spaans legte Schweregrade für die verschiedenen Straftaten fest und nutzte diese um herauszufinden, in welchen Fällen gemeinnützige Arbeit tatsächlich als Ersatz für eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde. Er leitete aus den Daten ab, dass gemeinnützige Arbeit nur eine bescheidene Rolle bei der Reduzierung von unbedingten kurzen Freiheitsstrafen spielte. Auf Grundlage des Vergleichs der verschiedenen Schweregrade der Straftaten mit den verhängten Sanktionen ermittelte er, dass 30 bis 50 Prozent der Anordnungen von gemeinnütziger Arbeit eine unbedingte Haftstrafe ersetzten, während in 26 bis 44 Prozent der Fälle ein Net-Widening-Effekt stattgefunden hatte.

Weitere Informationen:
Aebi, M.F. (2015), Have Community Sanctions and Measures Widened the Net of European Criminal Justice Systems?, Punishment & Society, 17 (5): 575-597.

 

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